Montag, 16. Dezember 2013

Amets txapeldun!

Gestern war nach drei Monaten und insgesamt dreizehn Ausscheidungen letztendlich das Finale der Bertsolari-Meisterschaft gekommen, eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse im Baskenland. Im BEC (Bilbao Exhibition Center) in Barakaldo hatten sich ungefähr 15.000 Leute versammelt, um die acht Finalisten zu hören, und für die Tausenden, die keine Karten mehr gekriegt haben, wurde es live im Fernsehen übertragen. Ich hatte aber das Glück, dabei sein zu können ... Ane hatte schon Ende September für uns beide Karten gekauft.
Das Finale ging den ganzen Tag: morgens von 11 bis 14 Uhr und nachmittags weiter von 16 bis 20 Uhr. Die Verse waren unheimlich gut, auf einem wahnsinnig hohen Niveau, und da alle Bertsolari sehr gut waren, ist uns in der Mittagspause die Wette, wer die ersten drei sein werden, nicht leicht gefallen ...
Aber nach acht Aufgaben, die alle acht Finalisten gestellt bekamen, und anschließend vier Aufgaben, in denen die beiden besten gegeneinander angetreten sind (buruz burukoa), stand dann der Sieger fest ... der dreißigjährige Amets Arzallus Antia aus Hendaia, der auch von den meisten als Favorit gehandelt worden war und es zweifellos verdient hat! Zorionak, Amets, herzlichen Glückwunsch!

Der Sieger beim Abschied ... er grüßt die Gefangenen und die Kinder in den
nordbaskischen Bertsoschulen, bedankt sich bei seiner (Ex?-)Freundin und
seinen beiden Schwestern und widmet die Siegermütze seiner Mutter, weil er
es ihr zu verdanken hat, Baskisch zu können.
(Die Baskenmütze (= txapel) für den Sieger ist im Baskenland bei allen Arten von Meisterschaften üblich. Daher auch txapeldun (wörtlich "Baskenmütze tragend") = SiegerIn, MeisterIn und txapelketa = Meisterschaft)

Weil so viele so gute, mal bewegende mal lustige, Verse dabei waren und es daher kaum möglich ist, sich für einen zu entscheiden, hab ich mich mal auf die des Siegers beschränkt und letztendlich sein erstes kartzelako ausgewählt.
Thema: Die Situation hat dich auf die andere Seite versetzt.

Weil der erste Vers ziemlich kompliziert zu übersetzen ist, fass ich ihn aus Faulheit einfach zusammen: Das lyrische Ich ist bei der Guardia Civil (der spanischen paramilitärischen Polizei) und in Donostia stationiert, in einer Kaserne, die bekannt dafür ist, dass dort gefoltert wird.
Die anderen beiden Verse aber vollständig: 

Meinen Namen hassen 
ich weiß nicht, wie viele Familien 
Es wird im Baskenland keinen Jungen geben, 
den ich nicht gesehen habe 
Ich fragte sie: "Du hast nicht etwa 
schon mal einen Guardia Civil umgebracht? 
Und wenn ja, was hast du dabei gefühlt 
einen Kollegen von mir zu töten? 
Solange, bis du diese Fragen beantwortet hast,
wirst du hier aufgehängt bleiben!"
Aber sie schlossen die Augen 
und schwiegen.

Aber jetzt ist eine neue Zeit angebrochen
der Krieg ist wohl zu Ende 
Auf mich warten Geschworene
und Gerichtssäle 
Sie befragen mich schon seit zwei Stunden 
über dieses und jenes 
und jetzt bin ich es, der schweigt
so wie damals diese Jungen
Mir droht eine lange Zeit im Dunkeln
ein Gefängnis in einem Loch 
aber ich kann hoffen, dass der Präsident 
mich begnadigen wird.

Hier anzuhören (wer wenig Sinn darin sieht, in der Zeit, die der Gute nachdenkt, die Analyse von Aitzol Barandiaran und Josu Goikoetxea anzuhören, der spule vor bis ungefähr zur dritten Minute, da fängt er an ;) ) ... und ich rate euch, hört es euch an, weil einen Vers von Amets Arzallus nur zu lesen einfach nur die Hälfte ist.

Wenn ich Zeit hab, übersetz ich in den nächsten Tagen noch ein paar mehr, es gibt nämlich viele, die es verdient hätten ...

Dienstag, 10. Dezember 2013

Ikurriñaren aldeko herri ekimena - Impressionen

Es ist vorgeschrieben, dass an Rathäusern im Spanischen Staat die spanische Fahne hängen muss. Viele baskische Orte machen da allerdings nicht mit und hängen nur die Ikurriña, die baskische Fahne, raus ... was so lange gut geht, bis es jemand nicht Wohlgesonnenes entdeckt und anzeigt. Auch Oiartzun hat vor zwei Jahren eine Verwarnung gekriegt und muss, nachdem dem Einspruch der Stadt nicht stattgegeben wurde, jetzt bis zum 25. Januar am Rathaus die spanische Fahne (hier wegen ihrer Farben auch spöttisch piperpoto, "Paprikakonserve", genannt) hängen haben. Jetzt machen sich die Leute natürlich Gedanken, wie man da am besten tricksen kann, ob man zum Beispiel die Fahne einfach an irgendein verstecktes Seitenfenster hängen kann. Eine weitere, sehr schöne Idee, die wohl in Bergara (ich glaube zumindest, dass es Bergara war) schon umgesetzt wurde, ist, die Fahnen von allen Ländern, aus denen die Einwohner von Oiartzun kommen, ans Rathaus zu hängen, wo die spanische dann von alleine dabei wäre.
Jetzt gibt es als Protest erst mal die Ikurriñaren aldeko herri ekimen, die Bürgeraktion für die Ikurriña. Die Einwohner sind aufgefordert, die Ikurriña an ihre Balkone oder Fenster zu hängen. Die Beteiligung ist nicht zu verachten, egal wo man hingeht, sieht man jeden Tag mehr neue Ikurriña (und zwar wirklich nagelneu gekaufte, wodurch sie ziemlich rausstechen, was gerade in der Masse ganz lustig ist ;)). Ich hab am Dienstag und am Donnerstag mal alle, denen ich auf dem Weg zum Einkaufen begegnet bin, fotografiert.

Unsere (Fahne) ist die Ikurriña!
Auf der weißen Fahne mit dem schwarzen Symbol übrigens, die auf den Fotos auch mehrmals auftaucht, steht die Forderung Baskische Gefangene und Flüchtlinge nach Hause.

Samstag, 7. Dezember 2013

Motibazio saioak und Interview

Am Dienstag war der internationale Tag der baskischen Sprache und aus diesem Anlass haben die SchülerInnen der öffentlichen Schule (in Oiartzun gibt es zwei Schulen: Elizalde, die öffentliche, und Haurtzaro, die Ikastola*) in ihrem Schulradio eine Spezialsendung gemacht und Teil davon (der krönende Abschluss^^) war ein Interview mit mir.
Bakartxo, deren Mann dort Lehrer ist, hat mich morgens in die Klasse von Beñat und Eider, die das Interview machen sollten, gebracht (LH4, also vierte Klasse, suuupersüß), dort saß ich dann ein bisschen dabei, während der Lehrer mit der Klasse noch mal alle ihre Beiträge durchgesprochen hat, bis Aingeru, Bakartxos Mann, vorbeikam und mich in seine sechste Klasse mitgenommen hat. Die hatten grade Baskisch und haben der Reihe nach die Verse, die sie als Hausaufgabe oder so gedichtet hatten, vorgesungen (einer hatte es nicht so ganz mit den Reimen und einer hat gemeint, es wäre kein poto, wenn er für "ich bin" einmal die Dialektform naz und einmal das hochbaskische naiz als Reimwort verwendet, aber sonst waren alle ganz ordentlich, einige sogar richtig gut), bis die Radiosendung angefangen hat, die wir dann natürlich alle gehört haben. Es wurde die Geschichte des Tags erzählt, die Kindergartengruppe der Fünfjährigen, sowie ein paar Zweitklässler haben Gedichte aufgesagt, es gab Rätsel und ein kurzes Hörspiel von den Viertklässlern, dazwischen Musik und am Schluss das Interview mit mir, wozu Aingeru mich runter in das kleine Radiozimmer gebracht hat. Das Interview ging recht schnell, die Fragen hatte ich auch schon vorher gekannt, aber Aingeru und die Lehrerin der Viertklässler haben sich überschwänglich bei mir bedankt.

Montag, Mittwoch und Donnerstag hab ich mit Nagore in DBH3 und DBH4, also neunter und zehnter Klasse, in der Ikastola motibazio saioak gehabt. Das sind drei Stunden pro Klasse, in denen die Jugendlichen zum Nachdenken über die Situation der baskischen Sprache und ihre eigenen Sprachgewohnheiten angeregt werden sollen.
In der ersten Stunde sollten sie als erstes nacheinander jede(r) die Person neben sich vorstellen: den Namen und eine Information, die mit Baskisch zu tun hat ... was meistens auf "er/ sie redet immer Baskisch" rausgelaufen ist.
Bei den Neuntklässlern hat Nagore danach ein bisschen von Ttur-ttur erzählt, dann sollten sie definieren, was Sprache ist. Danach hat Nagore Daten zum Thema Sprachen vorgelegt: Es gibt auf der Welt ungefähr 7.000 Sprachen, von denen nur 400 eine Million Sprecher oder mehr haben (und Baskisch ist eine davon). 2.000 werden nicht mehr weitergegeben, die Hälfte wird laut Prognosen in den nächsten fünzig Jahren verschwinden, bis zum Ende des Jahrhunderts sogar 95%. Die acht größten Sprachen sind (in dieser Reihenfolge) Chinesisch, Hindi, Englisch, Spanisch, Französisch, Arabisch, Russisch und Portugiesisch.
Bei den Zehntklässlern, die das alles ja letztes Jahr so ungefähr schon mal gehört haben sollten, haben wir das ganze als Wettbewerb gemacht.
Dann haben wir in beiden Klassenstufen mit den Jugendlichen noch ein bisschen darüber geredet, wie sie so die Situation ihrer Sprache sehen.

Das zweite Mal mit den Zehntklässlern hab ich nicht mitgekriegt, weil ich da das Interview hatte, aber den Neuntklässlern wurde eine Powerpointpräsentation gezeigt mit Grafiken zur Verbreitung des Baskischen in der Antike und seither und zu den Dialekten, sowie Statistiken zu Kenntnis und Verwendung der Sprache heute und die Daten von Oiartzun. Dann haben wir mit ihnen noch ausführlich über diese Informationen geredet.
Ein Auszug aus diesem Gespräch (ich hab das nur in einer Klasse mitgekriegt, die anderen beiden waren auch am Dienstag dran gewesen):
Nagore: "Aber hier in Oiartzun hört ihr auch Leute Spanisch reden, oder?"
Schüler: "Ja, schon ... Omas oft ..."
Nagore: "Und warum glaubt ihr ist das so?"
Schüler: "Die gucken zu viel Sálvame." (spanische Boulevardfernsehsendung)
Nagore: "Und Jugendliche so in eurem Alter, reden da auch welche Spanisch untereinander?"
Schüler: "Ja, die von Elizalde." (der öffentlichen Schule)
anderer Schüler: "Aber nur die Mädchen, die Jungs nicht."
Schülerin: "Nein, Mädchen und Jungs gleich!"

Beim dritten Mal haben die Neuntklässler zuerst aufgeschrieben, was sie alles schon für ihre Sprache tun, und dann, was sie noch zu tun bereit sind. Letzteres wurde dann auf ein Plakat geschrieben und die SchülerInnen haben alle unterschrieben und sich so verpflichtet, das alles einzuhalten. Ein paar Beispiele für die Verpflichtungen:
- Das erste Wort immer auf Baskisch
- Mit Leuten, die Baskisch können, immer Baskisch sprechen
- Baskischsprachige, die untereinander Spanisch reden, dazu bewegen, Baskisch zu reden
- Die, die es nicht können, dazu animieren, es zu lernen
- Denen, die Baskisch lernen, helfen
- Computer, Handy und soziale Netzwerke auf Baskisch haben
- Auf Demos für die baskische Sprache gehen

Die Zehntklässler haben beim dritten Mal die Aufgabe bekommen, in Gruppen mit jeweils einem bestimmten Budget sich je eine oder mehrere Aktionen für die baskische Sprache zu überlegen und zu planen.
Und zum Schluss kam bei allen noch mein Part: In der ersten Stunde hatten alle Fragen, die sie an mich haben, gestellt und Nagore hatte sie aufgeschrieben und mir mitgegeben, damit ich mir in Ruhe die Antworten überlegen kann, und in der letzten Stunde hab ich sie dann alle beantwortet ... fünfmal hintereinander das Gleiche zu erzählen, ohne anzufangen alles runterzuleiern, ist nicht leicht, aber ich hab mich bemüht ;)

Nächste Woche machen wir dann die motibazio saio in der öffentlichen Schule, mal sehen, wie das läuft ...


*Die Ikastola sind während des Franquismus entstanden, als die baskische Sprache verboten war. Ihr Ziel war es, den Kindern baskischen Unterricht zu bieten und die baskische Kultur zu vermitteln, und sie mussten daher anfangs mehr oder weniger im Untergrund arbeiten. Sie sind immer Modell D, unterrichten also alle Fächer auf Baskisch, und wie Kooperativen organisiert: Eltern, Lehrer und alle anderen, die an der Schule arbeiten, entscheiden gemeinsam. Auch wenn es heute in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft auch viele öffentliche Schulen im Modell D gibt, fördern immer noch die Ikastola die baskische Sprache und Kultur am meisten, und im Nordbaskenland und großen Teilen Nafarroas sind sie immer noch die einzigen Schulen, die Unterricht auf Baskisch anbieten.