Die baskischen Feste sind berühmt und gehören für die Basken zu den wichtigsten Ereignissen im Jahr. Sie sind zwischen Juni und September gelegen, meistens nach den Heiligen, zu deren Ehren sie ursprünglich veranstaltet wurden, benannt, und jeder noch so kleine Ort hat sein Fest. Das berühmteste Beispiel eines baskischen Ortsfests sind die Sanferminak von Iruñea (Pamplona), die auch von Ernest Hemingway beschrieben wurden. Die Sanferminak werden übrigens auch in den kleineren Orten Lesaka und Pasai Antxo gefeiert.
Das Fest von Oiartzun nennt sich Xanistebanak (nach dem Heiligen Stefan) und findet Anfang August statt.
Den Anfang der Xanistebanak habe ich selbst nicht mitbekommen, aber laut Programm wurde das Fest am Nachmittag mit Musik, Tanz und Feuerwerk eingeleitet, nachts gab es dann Konzerte und DJs.
Ich bin erst nachts um viertel nach vier mit dem Fernbus in Donostia angekommen und hab um fünf den Bus nach Oiartzun genommen, wo das Fest um halb sechs noch in vollem Gang war. Meine lieben Mitbewohner waren zwar beide nicht mit dem Handy zu erreichen, aber ich habe sofort den ersten Bekannten getroffen ... Aitzol, der mich mit einem herzlichen: "Meine Lieblingsdeutsche!" begrüßt hat. Er hat mir dann auch geholfen, meinen Mitbewohner zu finden, was nicht schwer war, und ein Getränk spendiert. Auf dem Landetxe Platz waren die drei txozna, die Getränke verkaufenden Stände (von der Sprachrechtsorganisation Euskal Herrian Euskaraz, der feministischen Gruppe Antiju Morik und der linken Jugendorganisation Ernai), noch offen, es lief Musik und alles war vollgestopft mit Leuten. Die Begrüßung meines Mitbewohners war nicht weniger herzlich (wobei auch der der Uhrzeit entsprechende Alkoholpegel eine Rolle gespielt hat), er meinte, er hätte das Gefühl, ich sei gar nicht weg gewesen (was mir übrigens genauso ging). Innerhalb kürzester Zeit hatte ich wahrscheinlich die Hälfte aller meiner dortigen Bekannten getroffen und war immer ihren jeweiligen Freunden vorgestellt worden. Als gegen sieben die Musik ausging und die Stände zugemacht haben, hatte mein Mitbewohner zwar noch keine Lust, nach Hause zu gehen, ich dagegen merkte doch, dass ich nach 19 Stunden Busfahrt endlich mal richtig schlafen musste. Er hat mir also seine Schlüssel gegeben, sich erkundigt, ob ich den Weg noch finde (ähm, ja?!) und mir angekündigt, dass wir später mit seiner Familie mittagessen würden. Und dass ich die Kleider, die auf meinem Bett liegen würden, einfach zur Seite räumen sollte. ("Das sind alles Alaias. Wirf sie auf den Boden!")
Geschlafen hab ich vor Aufregung und weil es ja schon hell war nicht besonders gut und bin schon gegen zwölf wieder aufgestanden. So hab ich immerhin meine Mitbewohnerin noch getroffen, die mir endlich ihren Freund vorgestellt hat (niemand anderes als der bekannte Bertsolari Jon Maia).
Danach musste ich warten, bis um zwei, nachdem ihn schon seine Mutter angerufen hatte, endlich mein Mitbewohner aufgestanden ist und wir zusammen zum Platz gegangen sind, um uns mit seiner Familie zu treffen ... Mutter, Vater, Schwester, Schwager, Nichte (Arai, sechs Jahre) und Neffe (Eritz, zwei Jahre).
Wie das bei einem baskischen Mittagessen so ist, saßen wir bis nach fünf zusammen, dann hatte Asier als Kulturzuständiger der Stadt noch Verschiedenes zu tun und wir sind gegangen. Bevor er mich mir selbst überlassen musste, hat er mir noch die jährlich zum Fest erscheinende fette Zeitschrift, für die ich auch einen Artikel geschrieben hatte, gegeben. Mit der habe ich mich auf den Platz gesetzt und mich ein bisschen ausgeruht, bis der Umzug der Riesen angefangen hat - eigentlich eher ein Spektakel für Kinder, aber als quasi Touristin und wenn man grad eh nichts Besseres zu tun hat, kann man sich das auch in meinem Alter noch ansehen ;) Die Riesen sind etwa vier Meter hohe Figuren, die mithilfe von kräftigen Leuten, die in das Gestell hineinschlüpfen, durch die Straßen tanzen.
Bis ich mich um viertel vor zehn mit meinem Mitbewohner auf dem Platz getroffen habe, hatte ich schon einige weitere Bekannte getroffen. Weil wir um zehn einen Dokumentarfilm sehen wollten, hatten wir nicht viel Zeit zum Abendessen und haben uns einfach in einer Bar jeder zwei Pintxo (so eine Art kleine belegte Brote) geholt.
Der Film wurde im Freien, unter dem Vordach der Pilotahalle (Pilota ist ein baskischer Ballsport) gezeigt. Er heißt Echevarriatik Etxeberriara, "von Echevarria zu Etxeberria". Echevarria war der letzte franquistische Bürgermeister von Oiartzun, der kurz nach Francos Tod von der ETA umgebracht wurde; Rufi Etxeberria, ebenfalls aus Oiartzun, ist ein linker Politiker, der wegen seiner Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts unter dem Vorwurf, ETA-Mitglied zu sein, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. In dem Film erzählen verschiedene Personen, alle aus Oiartzun, von ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Einstellungen gegenüber dem Konflikt, es wird porträtiert, wie Oiartzun den Konflikt erlebt hat (und immer noch erlebt).
Während dem Film fing es an zu regnen (zum Glück saßen wir unterm Dach), was es die ganze Nacht über immer wieder tun sollte. Während dem Konzert des Musikers Mikel Markez auf dem Hauptplatz war es zum Glück trocken, fing aber bald wieder an. Asier und ich hatten sowieso beide schon festgestellt, dass wir zu müde waren, um wieder so lang auszugehen, allerdings bestand er darauf, dass ich länger bleiben sollte als er. Das akzeptierte ich zunächst, schließlich hatte ich ja im Gegensatz zu ihm keine Preise verleihen und Stühle aufstellen müssen; gegen halb drei stellte ich dann allerdings doch fest, dass es eigentlich keinen Sinn hatte, wenn ich vor Müdigkeit zu kaum einem Gespräch fähig war. Ich wollte also abwarten, bis der Regen aufhörte, und dann gehen. Dann erschien allerdings Asier, der sich die letzte Stunde über woanders herumgetrieben hatte (ich war mit seinen Freunden zusammen gewesen), sagte, dass er jetzt ginge, ich aber ruhig noch ein bisschen bleiben sollte. Ich protestierte, dass ich zu müde sei, ließ mich letzendlich aber doch überreden. Mein "großer Bruder" beauftragte noch Txepe, einen seiner Freunde, auf mich aufzupassen, und ging. Ich ging eine knappe halbe Stunde später.
die Riesen |
die Jahreszeitschrift |
das Programm vom Montag |
Am nächsten Morgen mussten wir schon ziemlich gleich, nachdem ich aufgestanden war, hoch zum Platz, weil Asier beim Mittagessen der Rentner dabei sein musste (was natürlich zahlreiche spöttische Bemerkungen provozierte). Auf dem Weg trafen wir in einer Bar Alazne und ihren Freund, mit denen ich dann noch etwa eine Stunde zusammensaß, bis die beiden mittagessen gegangen sind. Ich habe mir zum Mittagessen beim Stand von Arraztalo, einer Organisation von psychisch Kranken und ihren Familienmitgliedern, ein Stück patata tortila geholt, mich damit auf eine Bank auf dem Platz gesetzt, der Preisverleihung des Apfelweinwettbewerbs zugehört, das Programm studiert, das Programmheftchen einer Frau, die neben mir saß, ausgeliehen und zugesehen, wie der Platz immer leerer wurde. Dann bin ich heimgegangen, um mich, bis es um fünf weiterging, noch mal ein bisschen auszuruhen.
Weiter ging es dann erst mal mit Kinderprogramm, was aber ganz süß anzusehen war (zumal Asiers Nichte und Neffe dabei waren). Dann gab es noch eine Ausstellung von Handarbeits- und Malworkshops, die ich mir ausführlich angesehen habe (waren tolle Sachen dabei). Irgendwann ist auch mein lieber Mitbewohner wieder aufgetaucht (mit Neffe). Währenddessen fingen schon die Vorbereitungen für einen Solidaritätsflashmob für die Gefangenen an, der laut Programm um halb acht stattfinden sollte (da waren auch wieder einige Bekannte von mir dabei, die aber logischerweise zu beschäftigt waren). Kurz vor Beginn des Flashmobs hab ich dann allerdings zwei Freunde meiner Mitbewohnerin getroffen, bin mit denen auf einen anderen Platz gegangen, hab dort wieder jemanden getroffen, kurz, als ich wieder auf dem Platz war, war vom Flashmob nur noch Konfetti übrig.
Das fand Eritz, Asiers kleiner Neffe, allerdings ganz toll und hat mir immer wieder einzelne Konfettiteilchen "geschenkt". Desweiteren hab ich mich von Arai, der Nichte, erst im Radschlagen coachen und dann frisieren lassen. Eigentlich wollten wir (Asier, seine Schwester, die Kinder und ich) zusammen abendessen und dann zu einer Tanzvorstellung gehen, aber am Essensstand der Ikastola war die Schlange zu lang und in den Bars gab es nichts mehr, sodass Naroa (Asiers Schwester) mit den Kindern heimgegangen ist und Asier und ich uns am Stand von Antiju Morik, der feministischen Gruppe, Pommes geholt haben.
Die Tanzvorstellung war nicht so toll, aber das Programm ging ja noch weiter ... Erst die Danborrada (ein Trommlerumzug) um Mitternacht, dann das Konzert von Bad Sound System (unten anzuhören), das auch um Mitternacht anfing und mindestens bis um halb drei ging. Während der Danborrada haben wir Ane, Iraia, Oneski und Freunde in einer Bar in einer Seitenstraße getroffen und Asier hat mich bei ihnen gelassen, während er nachgesehen hat, was auf dem Landetxe-Platz, wo das Konzert war, so läuft (Asier: "Passt auf sie auf!" - Ane: "Sie wird schon nicht verloren gehen."). Nach der Danborrada sind wir zum Konzert gegangen. Ich selbst wäre ja die ganze Zeit dabei geblieben, aber meine Freunde und Bekannten sind nach und nach alle in eine der Bars um die Ecke abgedriftet, wohin mich Asier schließlich auch geholt hat. Dort wurde ich dann wieder reihenweise Freunden vorgestellt, bis mein Kurzzeitgedächtnis zu streiken anfing ... Also die letzten beiden heißen Amaiur und Patxi ... und die erste Alaitz ... aber die anderen beiden??
Irgendwann sind wir dann wieder auf den Landetxe-Platz zu den Ständen (das Konzert war inzwischen vorbei). Ich hab mich zuerst mit Haizea unterhalten (trotz relativ lauter Musik waren hier im Gegensatz zur Bar immerhin Gespräche möglich) und dann noch eine Weile mit Izar, Beñat und Aitzol, zwischendrin hab ich noch Manoli aus meinen Sprachkursen getroffen. Dann bin ich erst mit einem Jungen aus Orereta, der Nachbarstadt, ins Gespräch gekommen und dann mit noch einem, ein weiterer Aitzol, der mir einen Patxaran (Schlehenlikör mit Anis) ausgegeben hat und mit dem ich die restliche Zeit verbracht habe, bis ich gegen viertel nach sechs beschlossen habe, heimzugehen, um ins Bett zu kommen, bevor es hell wird, und so besser einschlafen zu können.
Kinderprogramm |
alle aufgestellt für den Flashmob |
die Danborrada |
das Konzert |
eine Kostprobe von Bad Sound System:
Am Dienstag waren Asier und ich zum Mittagessen mit seiner Clique zu zwei Freundinnen von ihm eingeladen. Es war sehr nett, aber als man, obwohl man es seit mindestens drei Stunden vorhatte, um halb acht immer noch keine Anstalten machte, endlich auf den Platz zu gehen, verabschiedete ich mich und machte mich alleine auf den Weg - schließlich waren schon meine letzten Stunden in Oiartzun angebrochen und ich wollte noch einige Leute noch mal sehen.
Das hat sich dann auch nicht schwer gestaltet, die txaranga (durch die Straßen ziehende Band) war noch unterwegs und mit ihr die Jugend Oiartzuns (also Leute zwischen 15 und 35). Also kein Problem, viele noch mal zu sehen ... Ioritz (sowie zwei freche ehemalige Schüler von ihm von denen der eine mit den deutschen Wörtern, die er kennt, angeben musste), Erika aus meinem einen Kurs, Beñat, beide Aitzols (also die, die ich schon länger kenne, nicht die Bekanntschaft der letzten Nacht), Haizea, Izar, Alaia, Nagore ... Irgendwann ist auch Asier auf dem Platz angekommen. Ich bin mit ihm, seiner Nichte und seinem Neffen der txaranga hinterher, hab dann aber festgestellt, dass es schon viertel nach neun ist und mein Bus nach Donostia um 22:25 fährt, und bin mein Gepäck holen gegangen. Die letzte halbe Stunde saß ich mit Asier und seinen Freunden zusammen, voller Abschiedsschmerz, und habe mit Txepe schon besprochen, dass ich nächstes Jahr zum Fest wiederkomme. Asier hat mich dann zum Bus begleitet und mir versichert, dass ich jederzeit wiederkommen kann und die Wohnung immer noch meine sei (er hat sogar, als ich ihm meine Schlüssel wiedergegeben habe, gemeint: "Du kannst sie auch behalten, bis du wiederkommst.").
Und dann war es vorbei, ich saß im Bus, lief dann durch das nächtliche Donostia, immer am Fluss entlang, und wartete am Busbahnhof über eine Stunde auf meinen Fernbus.
Abgesehen davon, dass das Fest wirklich richtig toll war, habe ich das Gefühl, dass meine Beziehung zu Oiartzun und den Leuten dort (mir war vorher überhaupt nicht klar, wie viele ich dort kenne!) nach diesem Besuch viel enger ist ... Es war so schön zu merken, dass ich mich dort immer noch zuhause fühle, dass ich so viele nette Leute dort kenne ...
Gora Xanistebanak! Gora Oiartzun! Es leben die Xanistebanak! Es lebe Oiartzun!
Solidarität mit Palästina - "Lasst uns die Kriege stoppen - überall!!!" |
eine txozna |
mit den Gefangenen aus Oiartzun solidarische Transparente |
Und als Zugabe: Donostia bei Nacht - Impressionen